Keine Treffen in großen Hallen, dafür gemeinsam einsam vor dem Bildschirm über den virtuellen Stand flanieren. Die strengen Kontaktbeschränkungen der vergangenen Monate haben die Veranstaltungswelt stark getroffen – statt “vor Ort” ist nun „alles digital“ das Motto. Im Eiltempo mussten Organisatoren virtuelle Alternativen erarbeiten. Messen, Konferenzen, Bürgerinnen- und Bürgerdialoge und Workshops wurden digital neu aufgestellt, um in dieser Zeit fortzubestehen.

Für Johanssen + Kretschmer hatte die Pandemie ebenfalls eine steile Lernkurve zur Folge – entstanden sind neue Formate und Variationen, die auch nach der Corona-Pandemie einen festen Platz haben können. Unsere Erfahrungen und Learnings mit unterschiedlichen Veranstaltungstypen, aber auch Plattformen und Technologien arbeiten wir in mehreren Beiträgen auf. Den Anfang machen Konferenzformate, die auf den ersten Blick einfach digital umgesetzt werden können, auf den zweiten Blick jedoch einige Herausforderungen bereithalten.

Neue Konferenz- und Meeting-Guides

Konferenzen leben neben dem Wissensaustausch bei Vorträgen besonders von Diskussionen und Networking. Die digitale Umsetzung muss daher besonders idie Interaktionsmöglichkeiten in den Blick nehmen. Bei einer analogen Veranstaltung haben die Teilnehmenden auch außerhalb von festen Programmpunkten die Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und sich über das Erfahrene oder vertiefende Themen auszutauschen. Die digitale Variante hingegen bietet durch ihre örtliche Beschränkung auf eine virtuelle Plattform dazu weitaus weniger Chancen. Die Gespräche hinten im Saal oder auch die mitunter vorteilhaften Plätze in den letzten Reihen fallen weg.

Die Aufgabe ist klar: Austausch untereinander auch in einem digitalen Umfeld möglich machen – ein neuer, aber wesentlicher Programmpunkt von Konferenz- und Meeting-Guides. Um diese neue Art des Austausches als virtuelle Interaktion erfolgreich umzusetzen, ist ein Steuerungspunkt, an dem alle Fäden zusammenlaufen, unersetzlich.

Neben dem organisatorischen Rahmen müssen auch die Strukturierung und der Aufbau der Veranstaltung an das neue digitale Konzept angepasst werden. Im Gegensatz zu einer analogen Konferenz, die mit verschiedenen Räumlichkeiten, einer für alle zugänglichen Lobby und der direkten Interaktion mit Personen laufend neue Anreize schafft, findet die digitale Variante lediglich am heimischen Schreibtisch statt. Die Konzentrationsfähigkeit, einer Veranstaltung am Bildschirm zu folgen, sinkt deutlich schneller. Besonders vielfältige Inhalte, abwechslungsreiche Programmpunkte und eine dynamische Begleitung in Form einer Moderation wirken dem entgegen. Gleichzeitig wird ein derart gestalteter Ablauf auch zur Herausforderung: Es ist ebenso wichtig, den festgelegten Zeitrahmen im Griff zu behalten und die einzelnen Agendapunkte nicht in die Länge zu ziehen.

Unser Learning: Networkingangebote konsequent fördern

Für unsere erste digitale Konferenz, die wir für die DialogGesellschaft durchgeführt haben, diente das JK-Studio „Echokammer“ als zentrale Anlaufstelle. Die Speaker und Besucher konnten sich bequem von Zuhause einwählen und beteiligen. Neben klassischen Vorträgen ergänzten Workshops die Konferenz. In mehreren Kanälen haben wir die Teilnehmenden in kleinere Gruppen aufgeteilt, wo diese spezifische Themen besprechen und bearbeiten konnten. Ein dauerhaft geöffneter Live-Chat, der auch nach Ende der festen Programmpunkte noch verfügbar war, sollte den informellen Austausch untereinander anregen. Allerdings wurde der Live-Chat-Kanal zunächst nur sehr verhalten genutzt.

Wie erwartet, ist bei einer digitalen Konferenz eine der größeren Herausforderungen, die große Stärke der analogen Schwester in die virtuelle Welt zu übertragen, um private Gespräche und Networking zwischen den Konferenzteilnehmenden zu fördern. Eine gute Möglichkeit stellen private Chaträume dar – diese müssen von den Interessierten allerdings individuell angefragt und manuell eingerichtet werden. Im Voraus eingerichtete „Pausenräume“ können den Dialog verstärken, müssen dafür aber entsprechend beworben und gegebenenfalls moderiert werden. So könnten anschließende informelle Diskussionen mit den Vortragenden Nutzerinnen und Nutzer in die entsprechenden Chaträume locken. Auch abseits von Videokonferenz-Plattformen gibt es Tools, die den Austausch untereinander fördern: Apps wie Slido für die einfachere Interaktion zwischen Speaker und Publikum, vor allem aber Abstimmungen und Meinungsumfragen sowie Q&As, oder Wonder für virtuelles, lockeres Networking bieten unterschiedliche Möglichkeiten, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Diese kann man mit Leichtigkeit in das Konferenzprogramm integrieren. Auch hier gilt: Anreize und Abwechslung schaffen. Jeder braucht zwar auch einmal eine Pause, doch wenn eine digitale Konferenz erfolgreich sein soll, müssen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher zu wenig als zu viel Zeit für alle Angebote haben, die sie besuchen wollen.

Für zukünftige Konferenzen heißt das: Ein statisches Tool wie ein Live-Chat allein reicht nicht aus; als Veranstalter gilt es, weitere interaktive Optionen für Networking bereitzustellen und die Besucherinnen und Besucher nachdrücklich zu deren Nutzung einzuladen. Dies können voreingestellte Breakout-Rooms für Kleingruppen, virtuelle Pausenräume oder Räume zur Nachbesprechung mit den Dozierenden sein. Das Wichtigste: anbieten, motivieren, animieren.

Zielgruppe erweitert sich: jung, weiblich, entscheidend

Insgesamt ist unsere Erfahrung nach der Durchführung mehrerer Webkonferenzen überwiegend positiv. Eine erfreuliche Beobachtung bei der digitalen Variante ist die Größe der Veranstaltungen: So hat sich die Anzahl der Teilnehmenden im Vergleich zu ihren analogen Vorgängern im Schnitt verdoppelt oder gar verdreifacht. Auch die erreichte Zielgruppe hat sich erweitert: Wir konnten einen deutlich höheren Anteil an Frauen als zuvor verzeichnen. Außerdem sind digitale Konferenzen deutlich besser von Entscheiderinnen und Entscheidern besucht. Entfallen die Hin- und Rückreise, so ist der Anreiz weitaus größer, sich für einen bestimmten Programmpunkt kurz dazuzuschalten – selbst wenn man aus Zeitgründen nicht am gesamten Event teilnehmen kann. Wir sehen hier die große Chance für einen Wissensaustausch, der noch mehr Personen als bisher erreicht und einbezieht.

Von dem größeren Besucherkreis kann man jedoch nur profitieren, wenn die Gelegenheit zum Networking auch genutzt wird. Hier liegt die größte Schwäche einer digitalen gegenüber einer analogen Veranstaltung. Die Optionen für den privaten Dialog müssen weiter ausgearbeitet und von Anfang an forciert werden. Herausfordernd ist auch der hohe Aufwand, der bei der Vorbereitung und Durchführung von Dialogen im digitalen Raum entsteht. Durch die vielfältigen technischen Möglichkeiten und Tools, die sich konstant weiterentwickeln, ist der Grundstein für erfolgreiche Diskussionen dennoch gelegt. Und auch das überwiegend positive Feedback hat uns gezeigt, dass ein produktiver und inspirierender Ideenaustausch trotz allen Einschränkungen digital gut funktionieren kann.