Am 3. Januar 2022 startet das Lobbyregister. Auf der Webseite des Deutschen Bundestages haben Unternehmen und Verbände dann zwei Monate Zeit, um die erforderlichen Eingaben zu tätigen. Ein staatlicher Verhaltenskodex ergänzt den neuen Umgang mit Interessenvertretung. Er beschränkt sich jedoch größtenteils auf bereits im Lobbyregistergesetz (LobbyRG) aufgeführte Grundsätze.

Das Lobbyregister selbst wirft sechs Monate vor Inkrafttreten eine Reihe von Fragen auf. Die genauen Ausführungsbestimmungen der Bundestagsverwaltung sind nach wie vor unklar:

  • Wer muss sich eintragen?
  • Welche finanziellen Aufwände müssen erfasst werden?
  • Welche Tätigkeiten sind unter Interessenvertretung zu verstehen?
  • Was gilt als Kontaktaufnahme?

Diese Verunsicherungen werden durch unterschiedliche Aktivitäten in den Bundesländern noch vergrößert. Landesregierungen und Landesparlamente ziehen zwar nach und streben eigene Lobbyregister an, doch Schwerpunkte und Rahmenbedingungen variieren von Land zu Land. Einzige Gemeinsamkeit ist die Prämisse, die Transparenz in der Interessenvertretung zu erhöhen.

Bis voraussichtlich Ende 2021 haben 8 von 16 Bundesländern verbindliche Regelungen für ein Lobbyregister

Tatsächlich verfügt inzwischen bereits ein Viertel aller Bundesländer über eine gesetzliche Grundlage oder eine Regelung in der Geschäftsordnung der Landtage. In Bayern und Berlin sind entsprechende Lobbyregister kürzlich beschlossen worden; in anderen Bundesländern wie Hessen oder NRW sind Lobbyregister in Planung oder es liegen Anträge aus der Opposition vor. Im Vergleich zeigt sich: Die Regulierungstiefe ist unterschiedlich stark ausgeprägt und orientiert sich nicht in jeder Frage am LobbyRG des Bundes oder am Transparenzregister der EU (s. Abbildung 1).

So sieht beispielsweise die Geschäftsordnung des brandenburgischen Landtages lediglich den Eintrag von Verbänden in ein öffentliches Register vor, sofern diese an einer öffentlichen Anhörung teilnehmen wollen. Wesentlich umfangreicher sind die Regelungen, die die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern in Bayern am 24. Juni 2021 beschlossen haben: Das auf dem LobbyRG basierende Gesetz führt neben einem Lobbyregister den legislativen und exekutiven Fußabdruck (Art. 4) ein. Dieser verpflichtet die Staatsregierung und den Landtag dazu, schriftliche Stellungnahmen, Gutachten sowie Diskussions- und Positionspapiere Dritter im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens zu veröffentlichen. Auf Bundesebene gibt es im Rahmen der Verbändebeteiligung seit 2018 bereits eine ähnliche Regelung.

Die Definition von „Interessenvertretung“ hat Folgen für die politische Arbeit von Unternehmen und Verbänden

Trotz der unterschiedlichen Ausprägung der einzelnen Regelungen auf Landesebene ist eine regulatorische Konvergenz zu beobachten. Das zeigt sich vor allem an der erstmalig im LobbyRG getroffenen gesetzlichen Definition von Interessenvertretung, die in Baden-Württemberg (Gesetz seit 1. Mai 2021 in Kraft), Bayern (Gesetz am 24. Juni 2021 verabschiedet) und Thüringen (Gesetzentwurf von Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) nahezu wortgleich adaptiert worden ist. Nach derzeitiger Lesart impliziert die Formulierung der „Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess“ (§ 1 LobbyRG), dass

  • eine Kontaktaufnahme bereits dann gegeben ist, wenn diese einseitig erfolgt und AdressatInnen dabei schriftlich oder mündlich namentlich benannt werden;
  • eine Kontaktaufnahme auch dann vorliegt, wenn Mitarbeitende der AdressatInnen kontaktiert werden (z. B. wissenschaftliche Mitarbeitende von Abgeordneten);
  • vorbereitende Maßnahmen wie die Erstellung von Analysen oder Strategien als Interessenvertretung zu begreifen sind, wenngleich entsprechende Mitarbeitende nicht in jedem Fall namentlich eingetragen werden müssen;
  • alle finanziellen Aufwendungen, die mit der Interessenvertretung in Verbindung stehen und buchhalterisch als Kosten zu begreifen sind, berücksichtigt werden müssen.

Aus diesen und weiteren Regelungen wie der fortlaufenden Aktualisierung (§ 3 LobbyRG) oder den Grundsätzen integrer Interessenvertretung (§ 5) ergeben sich für Unternehmen und Verbände erhebliche Anforderungen an die Compliance und Corporate Governance. Da ein Verstoß gegen die Bestimmungen des LobbyRG zu drastischen Sanktionen führen kann (z. B. Bußgelder bis 50.000 Euro), sind ein internes Informationsmanagement sowie verpflichtende Handlungsleitlinien für Mitarbeitende wesentliche Voraussetzungen einer transparenten und gesetzeskonformen Interessenvertretung. Vor allem komplexe Organisationen, deren politische Arbeit sich über mehrere Ebenen oder Länder erstreckt und gleichzeitig in Interessenverbänden stattfindet, wird dies vor Herausforderungen stellen. Beispielsweise ist die Abgrenzung von Tätigkeiten und Personen, die unter das LobbyRG fallen, in vielen Fällen nicht eindeutig zu treffen. Durch ein frühzeitiges Risk Assessment und die Erarbeitung eines Umsetzungsprozesses gemäß den Anforderungen des LobbyRG lassen sich diese Herausforderungen aber beherrschen. Professionelle Beratungsunternehmen können hierbei unterstützen.

Lobbyregister sind Prüfsteine für den eigenen Anspruch an Transparenz

Die öffentliche Debatte über Transparenz in der Interessenvertretung schwelt bereits seit Jahren und führte durch einzelne Fälle von Mandatslobbyismus schließlich zu einem Möglichkeitsfenster für eine regulatorische Lösung. Viele nun betroffene Unternehmen und Verbände gehen bereits seit längerer Zeit transparent mit ihren Stakeholder-Beziehungen und inhaltlichen Positionen um. Für sie wird es nun vor allem darauf ankommen, einen sauberen Transfer in die für sie relevanten Lobbyregister vorzunehmen, Mitarbeitende zu sensibilisieren und interne Regeln für ein Reporting aufzusetzen.

Die Berichtspflichten können aber auch zum Anlass genommen werden, die Kommunikation in den eigenen Kanälen zu evaluieren und in Teilen an den Erwartungshorizont des LobbyRG oder Transparenzregisters der EU anzupassen. So gilt zum Beispiel die Benennung von AnsprechpartnerInnen für die politische Arbeit inzwischen genauso als Standard wie die Angabe von Mitgliedschaften in Verbänden und anderen Organisationen. Viele Unternehmen gehen bereits einen Schritt weiter und benennen Politische Transparenz neben Nachhaltigkeit als eigenes wertebasiertes Handlungsfeld, aus dem sie Pflichten für ihre unternehmerischen Aktivitäten ableiten.

Vor dem Hintergrund fortschreitender Regulierung und der Entgrenzung von Politik ist ein Mehr an Transparenz also zu einer harten Währung geworden. Hierbei das richtige Maß zu finden, ist zum einen eng verbunden mit dem jeweiligen Geschäftsmodell, dem Regulierungsgrad der Branche und den eigenen Werten. Zum anderen kann Transparenz im Sinne einer nachvollziehbaren Interessenvertretung auch als Investition in die eigene Glaubwürdigkeit betrachtet werden – nicht nur gegenüber den unmittelbar betroffenen Stakeholdern, sondern auch im Lichte einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit.