Analyse: RED II und die Planungssicherheit – wie vorausschauend ist die neue Gesetzgebung?

In den letzten Sitzungswochen vor der Bundestagswahl enden die Plenartage nicht selten spät in der Nacht. Die große Koalition hat sich einige schwierige energiepolitische Fragen für den Schluss aufgehoben. Eine nächtliche Grundsatzentscheidung traf der Deutsche Bundestag am 20. Mai mit seinen Änderungen am sogenannten Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote). Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine Regulierung, die die Energiewirtschaft für die nächsten zehn Jahre prägen wird: Ihre Details sind dafür verantwortlich, welche Energieträger und -formen sich künftig durchsetzen werden. Doch schon während der Verabschiedung durch den Bundestag war klar, dass dieses richtungsweisende Gesetz schon bald wieder überarbeitet werden muss. Eine unklare Situation bedeutet aber Stillstand bei den Investitionen.

Ausgangspunkt für die Reform der THG-Quote war die Umsetzung der zweiten EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II) für den Verkehrssektor in nationales Recht. Ähnlich dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll RED II über ein Jahrzehnt hinweg einen verlässlichen Rechtsrahmen für Investitionen in erneuerbare Energieträger garantieren. In Deutschland verpflichtet die THG-Quote die Vertreiber von Kraftstoffen, die Emissionen ihrer Produkte Jahr für Jahr zu reduzieren, um so erneuerbare Energie in den Verkehrssektor zu bringen. In der Vergangenheit geschah dies fast ausschließlich durch das Beimischen von Biokraftstoffen, nun kommen auch Strom und Wasserstoff als Erfüllungsoptionen hinzu.

RED II schreibt ein verbindliches Ziel für die Nutzung von erneuerbarer Energie im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor bis zum Ende des Jahrzehnts vor. Doch nur wenige Tage vor Beginn der 20er Jahre zog Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gemeinsam mit ihrem Kollegium durch den Europäischen Green Deal die Zielvorgaben zum Umwelt- und Klimaschutz in der EU an. Folglich wird RED II schon kurz nach der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten eine Aktualisierung erfahren. Die avisierte Neuauflage wird von vielen mit „RED III“ betitelt und soll am 14. Juli vorgestellt werden. Gerüchten zufolge soll das Ziel für erneuerbare Energien bis 2030 von 28 auf 38 bis 40 Prozent angehoben werden. Doch im Zuge dieser Anpassung sind nicht nur höhere Zielvorgaben, sondern auch neue Rahmenbedingungen zu erwarten.

Wie bedeutend diese neuen Rahmenbedingungen für einzelne Technologien sind, lässt sich am Beispiel der erneuerbaren Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs – im Fachjargon RFNBO genannt – aufzeigen. In die Kategorie “erneuerbarer Energieträger” fallen sowohl grüner Wasserstoff, der Brennstoffzellenfahrzeuge klimaneutral antreiben kann, als auch daraus synthetisierte Kraftstoffe. Letztere können herkömmlichem Benzin, Diesel oder Erdgas zur Treibhausgasminderung in der Bestandsflotte beigemischt werden. Zwar gibt es bereits kleinere Produktionsanlagen, dennoch steht der Schritt von Demonstrationsanlagen und Leuchtturmprojekten hin zu kommerziellen Anlagen industriellen Maßstabs noch bevor. Um das dafür notwendige Investitionsklima zu schaffen, muss der gesetzliche Rahmen vor allem Planungssicherheit bieten. Dabei bedarf es nicht einmal zwingend einer festen Umverteilung nach dem Vorbild der EEG-Umlage, die den Betreibern der ersten Erneuerbare-Energie-Anlagen für 20 Jahren eine feste Vergütung sicherte, sondern vielmehr eines Zielpfads für die nächsten zehn Jahre.

Einen solchen Zielpfad soll die THG-Quote bieten. Sie steigt bis zum Jahr 2030 in vordefinierten Schritten auf 25 Prozent an. Einzelne Erfüllungsoptionen genießen hierbei jedoch eine Mehrfachanrechnung. So kann Strom, der zum Laden von batterieelektrischen Fahrzeugen bereitgestellt wird, dreifach an die THG-Quote angerechnet werden. Dadurch wird zwar die Bereitstellung von Lademöglichkeiten für Elektroautos zusätzlich beschleunigt. Doch neben dem gewünschten Effekt haben die Mehrfachanrechnungen auch Nebenwirkungen: Sie vervielfachen nicht nur die Anreize, sondern auch die Unsicherheit. Durch die Mehrfachanrechnung werden die Korridore zwischen optimistischer und pessimistischer Prognose in den Szenarien bedeutend breiter. Bei Entwicklungen wie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur, der ohnehin schon schwer vorherzusehen ist, wird die Unsicherheit daher umso größer. Da die Erfüllungsoptionen innerhalb der THG-Quote im Wettbewerb miteinander stehen, wird die Planungssicherheit bei RFNBO-Projekten vor gewaltige Herausforderungen gestellt.

Ein möglicher Weg, um Planungssicherheit für einzelne Technologien wie Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe zu schaffen, wäre eine eigene Zielvorgabe in Form einer Unterquote. Unterquoten wurden beispielsweise für erneuerbares Kerosin in der Luftfahrt und für fortschrittliche Biokraftstoffe aus Reststoffen festgelegt, um dem Hochlauf dieser Technologien einen verbindlichen Pfad zu sichern.

In Deutschland hat der Gesetzgeber nach intensiver Abwägung aller Interessen von der Einführung einer Unterquote abgesehen. Dennoch verpflichteten die Abgeordneten die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene bei den Verhandlungen zur RED III für grünen Wasserstoff und erneuerbare, strombasierte Kraftstoffe einzusetzen. Interessanterweise wird eine Unterquote für RFNBO derzeit von der EU-Kommission für RED III in Betracht gezogen. Damit wurde die Beantwortung der Frage nach Planungssicherheit für RFNBO nicht nur auf die EU, sondern auch in die Zukunft verlagert. Dieses Hin und Her stellt die Planung solcher Projekte auf den Kopf und verspielt wertvolle Zeit im Kampf gegen den Klimawandel.