Partizipation wird heute erwartet, gefordert und für fast jedes Vorhaben auch angeboten. Wenn sie gut aufgesetzt ist, beschleunigt sie Prozesse am Ende sogar. Die Erfahrung zeigt jedoch: Akzeptanz und Dialogbereitschaft sind auch dann nicht garantiert, wenn die planende Seite „ordentliche Prozesse“ aufsetzt und transparente Verfahren anbietet. Es gibt einige Kritikpunkte, an denen man bereits in der Planung ansetzen sollte.

Große Erwartungen

Im Zusammenhang mit Infrastruktur-, Investitions- oder Entwicklungsvorhaben lösen die Begriffe Beteiligung, Partizipation und Dialog hohe Erwartung aus. Dazu gehören unter anderem echter Einfluss auf die Planungen, Transparenz der Prozesse und Repräsentativität der Beteiligten. Um diese Erwartungen zu managen, sollte frühzeitig über die Planung und den Partizipationsprozess informiert werden. Dabei gilt es, Handlungsspielräume innerhalb der Beteiligung zu klären, ihre rechtlichen, technischen und auch wirtschaftlichen Hintergründe zu erläutern und Diskussionen ergebnisorientiert zu führen. Darüber hinaus sollte jeder Schritt im Beteiligungsprozess angemessen dokumentiert werden. Dies dient der Transparenz und macht das Ergebnis eines Beteiligungsprozesses für Beteiligte wie für Genehmigungsbehörden nachvollziehbar.  Doch unabhängig davon, wie gut ein Beteiligungsverfahren geplant, durchgeführt und dokumentiert wird: als wirklich gelungen werden nur die wenigsten bewertet, zumindest aus Perspektive der KritikerInnen. Dabei gibt es einige Kritikpunkte, die immer wieder zitiert werden.

Das Beteiligungsparadoxon

Kein Bau-, Straßen-, Schienen- oder Energieprojekt materialisiert sich einfach so aus dem Nichts heraus. Vor jedem Projekt stehen immer übergeordnete Planwerke. Dazu gehören beispielsweise der Bundesverkehrswegeplan, raumordnerische Landes- oder übergreifende Stadtentwicklungspläne sowie formelle Planungsinstrumente wie der Flächennutzungs- oder der Bebauungsplan. Deren Entstehung wird jeweils durch formelle und/oder informelle Beteiligungsverfahren begleitet.

In der Regel werden diese jedoch zu einem Zeitpunkt durchgeführt, an dem das konkrete Projekt noch in weiter Ferne liegt. Den von einem zukünftigen, einzelnen Vorhaben Betroffenen ist zu diesem Zeitpunkt oft nicht klar, welche Rolle diese „abstrakte“ Ebene für das Geschehen vor der Haustür spielt. Die Beteiligungsmöglichkeiten werden daher kaum oder gar nicht wahrgenommen. Der Sachverhalt ist unter dem Stichwort Beteiligungsparadoxon bekannt, wenngleich noch lange nicht gelöst.

Wenn der Vorhabenträger zum Projekt informiert und dabei erklärt, dass nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ diskutiert werden kann, stößt dies bei den Betroffenen auf Unverständnis. Schnell wird das Projekt als Ganzes in Frage gestellt, denn in ihrer Wahrnehmung wurden die Betroffenen schließlich nie direkt und konkret gefragt, ob sie die Schienenstrecke, die Autobahn, das Gewerbegebiet oder den Windpark in ihrer Nachbarschaft überhaupt haben wollen.

Kein Einfluss, sondern nur Akzeptanzbeschaffung

Beteiligung hat viele Ebenen: Von der reinen Information über die Konsultation bis zur tatsächlichen Mitbestimmung. Die Klärung des Beteiligungsspielraums und damit das Erwartungsmanagement stehen daher richtigerweise am Beginn eines jeden Beteiligungsprozesses. Was geschieht jedoch, wenn die Beteiligten diesen Handlungsspielraum als zu eng betrachten, ihn nicht akzeptieren wollen oder nach mehr Mitgestaltung und Einflussnahme verlangen?

Schnell steht der Vorwurf im Raum, es stünde doch bereits alles fest. In der Öffentlichkeit verfestigt sich der Eindruck, die präsentierte Variante, der umfassend geprüfte Korridor, das entwickelte Baukonzept sollen nur noch „durchgedrückt“ werden.

Keine Zuständigkeit, keine Akzeptanz

Die ExpertInnen erörtern Pläne für eine neue Bundesfernstraße, die BürgerInnen reden über Verkehrsberuhigung innerorts. Eine Schienenstrecke soll ausgebaut werden, doch in der Informationsveranstaltung kommen Fragen zur Busanbindung. Und statt des geplanten Gewerbegebiets wünschen sich die AnwohnerInnen eine Diskussion zur Wohnraumentwicklung in ihrer Gemeinde.

Der Verweis „Wir sind nicht zuständig“ kommt in einer solchen Situation nicht gut an. Unter Umständen führt er sogar dazu, dass die Diskussion zum Projekt an die Debatte zu anderen Themen gekoppelt wird. Die Projektverantwortlichen werden nicht als GesprächspartnerInnen akzeptiert. Stattdessen wenden sich die Betroffenen an den Gemeinderat, an die Stadtverordnetenversammlung, den Kreistag oder gleich an das Land bzw. an den Bund und verlangen, dort gehört zu werden.

Ernüchterung und Beteiligungsmüdigkeit

Betroffene zu Beteiligten machen – hört sich gut an, klappt aber nicht immer. In manchen Städten, Stadtvierteln oder auch Gemeinden sind die Menschen „beteiligungsmüde“. Sie haben in zu kurzer Zeit zu viele Veränderungen und Verfahren durchaus aktiv begleitet, ohne jedoch immer zufrieden mit den Ergebnissen zu sein. Sie ziehen sich entweder aus der Beteiligung zurück oder gehen nach dem Motto „genug ist genug“ in eine passive Verweigerungshaltung. Desillusioniert von früheren Verfahren kommt auch schnell der Vorwurf, die Beteiligung sei nicht ernst gemeint, sei eine „Scheinbeteiligung“ oder „reines Marketing“.

Umsetzung: Wie man es macht…

Die sorgsam erstellte Anwohnerbroschüre mit Informationsgrafik – „ein Hochglanzprospekt!“ Die professionell organisierte Bürgerversammlung mit 3D-Visualisierung zur besseren Verständlichkeit – „eine Pseudo-Veranstaltung!“ Das Gesprächsangebot an einzelne Gruppen von AnwohnerInnen – „ein Versuch der Einflussnahme!“ Der digitale Info-Markt als Alternative zur öffentlichen Veranstaltung – „technische Spielerei, bei der Ältere und technisch weniger affine Personen ausgeschlossen werden!“

Grundsätzlich sollten Informations- und Dialogangebote an den Erwartungen der Zielgruppen ausgerichtet werden. Allerdings können diese Erwartungen sehr verschieden sein, denn selten gibt es in einem Vorhaben nur eine Ziel- oder Anspruchsgruppe. Für VorhabenträgerInnen und Kommunikationsverantwortliche kann es frustrierend sein, wenn Sorgfalt und Professionalität in der Beteiligung nicht dazu führen, dass die Diskussionen sachlicher werden, sondern im Gegenteil zu neuer Kritik führen.

Kritik annehmen

Die gute Nachricht ist: Mit Kritik kann man arbeiten. Wer die potenziellen Fallstricke kennt, der findet auch Mittel und Wege, um sie aufzulösen oder von vornherein zu vermeiden. Die wichtigste Regel dabei lautet: Dranbleiben! Mehr dazu im zweiten Teil dieser Reihe unter “B wie Beharrlichkeit!”

Dieser Artikel basiert auf einem Fachbeitrag der Autorinnen im Kursbuch Bürgerbeteiligung des Berlin Instituts für Partizipation. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der offiziellen Homepage.