Beteiligungsverfahren leben davon, dass Menschen sich engagieren, sich einbringen und mitmachen. Lautstarke Kritik, hitzige Diskussionen, nachdrücklich formulierte Briefe und E-Mails oder Bürgerveranstaltungen, auf denen es hoch her geht sind ausdrücklich erwünscht, denn sie zeigen , dass die angebotenen Dialog- und Beteiligungsformate genutzt werden. Schwierig wird es jedoch, wenn genau dies nicht passiert.

Zunehmend beobachten wir, dass sich KritikerInnen von Vorhaben, Planungen und Projekten nicht schwerpunktmäßig gegen deren Inhalte wenden, sondern stattdessen das Beteiligungsverfahren als solches in Frage stellen. In diesen Fällen ist es häufig kein großer Schritt von der Dialogkritik zur Dialogverweigerung. Sie kann Ausdruck vermeintlicher Stärke („Wir sind im Recht, also brauchen wir nicht zu diskutieren.“) ebenso wie empfundener Hilflosigkeit („Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen.“) sein. Die Ursache für Dialogverweigerung kann auch darin liegen, dass die angebotenen Beteiligungskanäle nicht funktionieren oder der Dialogprozess als solcher schlecht vorbereitet und umgesetzt ist.

Mancher Vorhabenträger mag versucht sein, die Beteiligung komplett in das Genehmigungsverfahren zu verlegen. Die Praxis zeigt, dass eine solche Strategie selten zum Erfolg führt. Das formale Verfahren aus Auslegung, Einwendung, Erörterung, Beschluss, Klage, Planänderung, zweiter Runde, drittem Deckblatt, nächster Instanz etc. ist nicht darauf angelegt, Konflikte zu lösen oder Kompromisse zu finden. Das ist auch nicht Aufgabe der formellen Beteiligung oder des Genehmigungsprozesses. Wer die Beteiligung in das Genehmigungsverfahren verschiebt, verlängert den Genehmigungsprozess. Es geht wertvolle Zeit für die Umsetzung verloren, die Kosten steigen kontinuierlich an.

Selbst wenn der Vorhabenträger schlussendlich nach einer langen Genehmigungsphase mit einem rechtsgültigen Beschluss und einer Baugenehmigung als vermeintlicher Sieger aus dem Verfahren hervorgeht: Der „Erfolg“ ist teuer erkauft, die Unterstützung vor Ort ist verloren, der Imageschaden weit über die Grenzen des Vorhabens hinaus beträchtlich.

Dialog als Bringschuld

Einer der bekanntesten Grundsätze der Kommunikation lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. In der Bürgerbeteiligung und der Projektkommunikation gilt dies für alle Seiten. Ein Abblocken, Vertagen, Wegschieben oder Verweigern von Dialog dient weder der Planung, noch hilft es dabei, Veränderung zu gestalten und wichtige Infrastruktur- und Bauvorhaben voranzubringen.

VorhabenträgerInnen sollten sich bei Gegenwind ebenso wie bei kommunikativer Flaute aktiv und nachvollziehbar um die Aufrechterhaltung von Dialog bemühen. Auf diese Weise entkräften sie mögliche Vorwürfe, die Beteiligung sei nicht ernst gemeint. Dies hilft auch den Projekten, denn beharrlich vorgebrachten Gesprächsangeboten kann sich keiner auf Dauer entziehen, zumindest nicht ohne die eigene Position zu schwächen.

Natürlich geht es nicht darum, Formate, die bislang nicht funktioniert haben, einfach weiter wie bisher durchzuziehen. Durch eine Adaption von Inhalten und den Vorgehensweisen, mit denen diese vermittelt werden, können DialogpartnerInnen reaktiviert und neue Dialoggruppen angesprochen werden.

Kenne deine Stakeholder

Insbesondere in räumlichen Kontexten, in denen BürgerInnen in der Vergangenheit bereits Projekte erheblich beeinflusst oder durch massive Proteste sogar ganz verhindert haben, besteht eine gewisse Erwartung daran, die „Beteiligungserfolge der Vergangenheit“ fortzusetzen. Die Strukturen dafür bestehen, und eine einmal gegründete Bürgerinitiative lässt sich auch zu anderen Themen reaktivieren.

Was waren Themen der Vergangenheit? Wer hat diese gegenüber wem vertreten? Wie liefen die Prozesse, welche Beteiligungskanäle haben funktioniert? Worüber hat die Presse berichtet – und worüber nicht? Fragen wie diese ermöglichen es, die Stakeholder eines Projektes schon kennenzulernen, bevor man das erste Mal auf sie zugeht. Daher sollten sie ganz am Anfang eines Dialogprozesses und vor der Auftaktkommunikation gestellt werden.

Wichtig ist auch die Frage: Wer hat sich in der Vergangenheit eigentlich nie beteiligt, wessen Meinung taucht nie in der Presse auf? Desktop-Recherchen und Analysen liefern eine gute Basis für erste Erkenntnisse. Mitunter kann auch eine gezielte Meinungsumfrage über die Haltung vor Ort sinnvoll sein. Darüber hinaus können in Vorab-Gesprächen das Wissen und die Einschätzung von VertreterInnen der Gemeinde oder des Landkreises wichtige Hinweise liefern. Die Zeit und der Aufwand für diese Gespräche sind mit Sicherheit gut investiert, um mögliche Dialog- und Akzeptanzrisiken von vornherein besser einschätzen zu können. Auch tragen sie dazu bei, zu erfahren, welche Vorbehalte und welche Unterstützungspotenziale vor Ort bestehen.

Gesprächsangebote erweitern

Breitere Gesprächsangebote wecken Dialog- und Beteiligungsinteresse auch bei den Menschen, die bislang der „schweigenden Masse“ angehört haben. Diese für das Projekt zu interessieren und gegebenenfalls sogar als FürsprecherInnen zu aktivieren, sorgt für neue Dynamik im Projekt und im Dialog. Wir haben erlebt, dass selbst die stärksten ProzesskritikerInnen zurück an den Beteiligungstisch kommen, sobald sie merken, dass der Dialog weitergeführt wird und sie nicht dabei sind. Und wenn nicht? Dann haben die verantwortlichen PlanerInnen zumindest glaubhaft und sichtbar unter Beweis gestellt, wie ernst es ihnen mit der Beteiligung ist.

Eigene Inhalte, Argumente und Fakten angemessen übersetzen und vermitteln

Planende und ExpertInnen setzen oft auf die Überzeugungskraft von Daten, Fakten und Berechnungen. Kritisch eingestellte BürgerInnen vertrauen hingegen ihrer persönlichen Wahrnehmung und Erfahrung vor Ort. Das Vertrauen in das Expertenwissen ist immer dann besonders gering, wenn deren Ergebnisse nicht die subjektiven Eindrücke der Betroffenen widerspiegeln. Kritisch wird es dann, wenn ProjektgegnerInnen die Daten und Aussagen der Planenden nicht nur anzweifeln, sondern eigene „Fakten“ in die Welt setzen.

Dagegen helfen Aufmerksamkeit, gründliche Recherche sowie die kontinuierliche und klare Vermittlung der eigenen Botschaften. Ein Presse-Monitoring ermöglicht es, die aktuelle Meinungslage ebenso wie Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung im Zeitverlauf zu erfassen. Soziale Medien werden als Seismograph von individuellen und gruppenbezogenen Einstellungen immer wichtiger, zumal sich „gefühlte Wahrheiten“, bewusste „Fake News“ sowie Spekulationen über Twitter, Facebook und Co. noch dynamischer verbreiten. Eine systematische Analyse der Berichte und Meinungsäußerungen ist die Grundlage für eine schnelle Reaktion, die vor allem aus eindeutigen, überprüfbaren und überzeugenden Botschaften besteht. In den sozialen Medien ist einem Vorhabenträger durchaus mal ein flapsiger Kommentar erlaubt, solange die grundsätzlichen Regeln des sachlichen Dialogs nicht verletzt werden.

Nach der Devise „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ muss eine Antwort nicht immer nur aus Text bestehen. Ein Bild, eine Infografik, ein Erklärvideo, eine Videobotschaft oder sogar ein Meme, das über das Internet verbreitet werden kann, können genauso gut oder sogar noch besser geeignet sein, um Fakten und Botschaften klar, eindeutig und verständlich zu vermitteln.

Medien und JournalistInnen aktiv einbeziehen

Gute Bürgerbeteiligung und ein glatt verlaufenes Planungs- und Genehmigungsverfahren sind der Presse sicher eine Meldung wert – irgendwo zwischen Seite drei und sechs, als Randnotiz in den Rubriken „Lokales“ oder „Vermischtes“. Proteste, Plakataktionen, eine sich auflehnende Bürgerinitiative oder ein Eklat auf der Bürgerversammlung schaffen es hingegen auf die Titelseite, lassen Fernsehteams anrollen und sorgen über Wochen und Monate für Schlagzeilen. Ganz nebenbei bieten sie KritikerInnen auch noch eine Plattform, ihre Sichtweisen medial zu verbreiten.

Gute JournalistInnen holen zwar auch die Stellungnahme der Planenden ein. Doch den roten Faden der Geschichte weben die KritikerInnen. Daran sind die Planungs- und Kommunikationsabteilung oft nicht ganz unschuldig. Über die obligatorische Pressemeldung bei Erreichen des nächsten Meilensteins hinaus bieten sie den MedienvertreterInnen häufig wenig Interessantes oder Berichtenswertes.

Werkstätten, in denen mit JournalistInnen gemeinsam Inhalte zu Prozess, Projekt und Bericht erarbeitet werden, Veranstaltungen, in denen ExpertInnen die Möglichkeit ihr Wissen direkt an die Redaktionen bringen, gemeinsame Baustellenbegehungen auch außerhalb von Spatenstich-Zeremonien:All das schafft Anlässe für Berichterstattung und ermöglicht ein persönliches Kennenlernen zwischen Projektverantwortlichen und MedienvertreterInnen.

Eine besondere Bedeutung für die Berichterstattung können zudem lokale Medien, Online-Portale, Blogs oder Anzeigenblätter einnehmen: Sie mögen eine geringere Reichweite als die überregionalen Blätter haben, aber sie erreichen unter Umständen genau diejenigen direkt, auf die es im Zuge eines bestimmten Projekts ankommt.

Beharrlichkeit trotz Abstandsgebot

Jeder Kommunikationsverantwortliche hat einmal gelernt: Es geht nichts über das persönliche Gespräch und den direkten Kontakt, um Nähe zu gewinnen und Vertrauen aufzubauen. Aber was, wenn persönliche Treffen nicht möglich sind, Kontakte auf Abstand gehalten werden müssen und Nähe unter 1,50 Meter vermieden werden soll? Mit anderen Worten: Was ist, wenn Pandemie ist? Und was bleibt, wenn sie vorbei geht? Dazu mehr im nächsten Teil dieser Reihe unter “C wie Corona”.