Direkter Dialog, Austausch vor Ort, persönliche Ansprechbarkeit und Gespräche von Angesicht zu Angesicht galten und gelten stets als die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Beteiligung. Bis vor rund zwei Jahren war es dabei ganz selbstverständlich, dass alle GesprächpartnerInnen in einem Raum waren. Es galt das Primat: Nähe schafft Verständnis. Doch dann kam Corona, und Nähe schaffte auf einmal nicht Verständnis, sondern stellte ein Risiko für die Gesundheit dar.

Als die Länder und die Bundesregierung im März 2020 unter dem Schlagwort „social distancing“ sukzessive eine Reihe von Regelungen erließen, um die Covid-19-Pandemie einzugrenzen, wurden geschäftliche und soziale Aktivitäten in Deutschland stark eingeschränkt. Ganze Bereiche des öffentlichen Lebens kamen ganz oder teilweise zum Stillstand – nicht jedoch die Beteiligung und Kommunikation in unseren Projekten. Denn Planungen für Infrastruktur, Wirtschaftsentwicklung, Versorgung und Energiewende ohne Dialog und Austausch einfach „durchzuziehen“ oder bis auf Weiteres ruhen zu lassen war für uns und unsere KundInnen keine Option.

Die neue Situation ermöglicht eine neue Kommunikation – und erzwingt sie

In den ersten Monaten der Pandemie lautete unsere Aufgabe: Denken! Neu denken! Etwas ausdenken! Und vor allem ausprobieren und auch mal etwas wagen. Natürlich lag es nahe, stärker als zuvor auf digitale Dialogmöglichkeiten zu setzen. Dabei ging es für uns und unsere KundInnen nicht darum im Grundsatz zu entscheiden, ob Beteiligung, Information und Diskussion generell besser online oder in Präsenz erfolgen sollten. Vielmehr ging es darum, die vorhandenen technischen Möglichkeiten bestmöglich einzusetzen.

Auch vor März 2020 nutzten die PlanerInnen, VorhabenträgerInnen und Projektverantwortlichen in der Regel bereits die Möglichkeiten des Internets. Informationen wurden über Webseiten und Plattformen bereitgestellt und ausgetauscht, über E-Mail und Telefon wurden Fragen und Hinweise aufgenommen. Diese bestehenden Angebote galt es, aktiv zu promoten und gegebenenfalls auszuweiten.

Für den erfolgreichen Dialog war das jedoch nicht genug. Es war von Anfang an klar, dass Veranstaltungen, die auf persönliche Gespräche und Kontakt ausgerichtet sind, nicht immer eins zu eins in die digitale Welt verlagert werden können. Entsprechend mussten Formate erarbeitet werden, die dem digitalen Rahmen entsprechen und die mit Blick auf die Ziele, die im Beteiligungsprozess erreicht werden sollen, wirksam sind.

Kommunikation neu denken heißt auch, sie zu hinterfragen

Für uns und unsere KundInnen war dies die Gelegenheit, uns noch einmal intensiv mit relevanten, prozessleitenden Fragen auseinanderzusetzen und dabei auch Dialoggewohnheiten aus der Zeit vor Corona kritisch zu hinterfragen. Was ist das Ziel einer Veranstaltung, eines Treffens oder Gesprächs? Wer soll angesprochen werden? Wie öffentlich oder wie vertraulich ist die Runde? Welche Erwartungen bestehen bei den Teilnehmenden? Müssen diese erfüllt werden oder gilt es vielmehr, Erwartungsmanagement zu betreiben und Gestaltungsspielräume deutlicher als bisher aufzuzeigen? Wie können wir Interaktion sicherstellen, die einen tatsächlichen Mehrwert bietet? Wie dokumentieren wir den Dialog und machen die Ergebnisse verfügbar und nachvollziehbar für alle Betroffenen und Interessierten? Wie betten wir den digitalen Dialog in den Gesamtprozess der Partizipation ein?

Die Technik macht’s möglich, die Strategie macht’s erfolgreich

Die jeweilige Antwort definierte das Vorgehen für die im Einzelfall am besten geeignete digitale Lösung. Dabei galt bereits 2020: Die Technik kennt keine Grenzen. Der Umgang mit ihr war jedoch teilweise ungewohnt – auf Seiten von ProjektträgerInnen ebenso wie bei den Stakeholdern, von der Politik über die Verbände bis hin zu AnwohnerInnen. Daraus erwuchsen Sorgen und auch Kritik, vor allem hinsichtlich des Risikos, dass nicht alle Betroffenen angemessen in den Dialog eingebunden würden. Doch bereits nach den ersten digitalen Dialogveranstaltungen wurde deutlich, dass diese Sorgen weitgehend unbegründet waren. Unabhängig davon, ob professionell organisiert, fachlich engagiert oder privat interessiert: Stakeholder, Medien, Verbände und AnwohnerInnen verfügten bereits über ein hohes Maß an Technikkompetenz und -affinität, die schnell aktiviert und erweitert werden konnte. Jetzt, nach zwei+ Jahren online Kommunikation, ist die Nutzung digitaler Angebote heute so selbstverständlich wie der Griff zum Telefonhörer.

Von Beginn der Pandemie an gilt jedoch: Die digitale Kommunikation findet niemals losgelöst von der realen Welt statt. Erst durch die strategische Verknüpfung von Webseiten, Plattformen, Veranstaltungen, Gesprächsformaten, Streaming, Video und Print kann Kommunikation auf Distanz erfolgreich sein. Für die Einbindung weniger internetaffiner Gruppen oder Menschen, die in den in Deutschland immer noch vorhandenen regionalen „Funklöchern“ leben, können durch Medienkooperationen, Gespräche mit lokalen StellvertreterInnen, telefonbasierte Lösungen oder den konventionellen Postweg ergänzende Informations- und Dialogangebote geschaffen werden. Der ideale Mix aus online und offline Formaten ergibt sich aus der genauen Analyse der Situation vor Ort sowie aus dem kontinuierlichen Monitoring von Teilnehmendenzahlen, Rückmeldungen inhaltlicher Art sowie zum Prozess sowie aus gezielt eingeholten Feedbacks während und nach Veranstaltungen.

Digital ist nicht immer besser, aber ohne Digital ist in jedem Fall schlechter

Wir geben es zu: Trotz erster Anlaufschwierigkeiten sind wir mittlerweile von den vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation restlos überzeugt. Und das nicht, weil der digitale Dialog Kommunikatoren und Projektverantwortlichen das Leben leichter macht (was im Übrigen so nicht immer stimmt), sondern weil Online-Veranstaltungen und flankierende Kommunikation den Dialog bereichern und intensivieren. Die Planung erhält vielfach hervorragende Anregungen und Hinweise, woraus weitere positive Impulse für die Akzeptanz entstehen. Die aus unserer Sicht relevantesten Vorteil digitaler Formate lauten wie folgt:

Mehr Reichweite, größere Vielfalt

An digitalen Veranstaltungen nehmen unserer Erfahrung nach häufig mehr Interessierte teil als an Veranstaltungen vor Ort. Die Möglichkeit, sich einfach von zuhause zuschalten zu können, statt an einen zentralen Veranstaltungsort kommen zu müssen, macht es für viele Menschen deutlich einfacher, sich in den Dialog einzubringen. Zudem erreichen digitale Angebote mehr jüngere Menschen, aber auch mehr SeniorInnen, die – entgegen häufig zitierter Vorurteile – hochgradig technikaffin sind. Für Personen, die Familienarbeit leisten, darunter vor allem Frauen, ist eine Online-Veranstaltung ebenfalls besser in den Alltag integrierbar als die Teilnahme an einem Präsenztermin.

Mehr Interaktion, größere Sachlichkeit

Online-Formate sind alles andere als “Frontalveranstaltungen”, bei denen eine/r redet und alle anderen hören zu. Bei Großveranstaltungen kann die Diskussion über den Chat organisiert werden. Bei kleineren Veranstaltungen und Workshops ist auch der direkte Austausch aller Teilnehmenden über Audio und Video sowie die Nutzung zusätzlicher Tools für die Zusammenarbeit möglich. Das Ergebnis: Online melden sich häufig auch diejenigen zu Wort, die bei einer Präsenzveranstaltung oft nur zuhören. Ausufernde “Co-Referate” oder die Dominanz der Diskussion durch Einzelne treten auf virtuellen Veranstaltungen in der Regel weniger häufig auf. Und das nicht, weil sie durch die Technik “unterbunden” oder “zensiert” werden, sondern weil sich unter den Teilnehmenden selber Gesprächsmuster etablieren, die für mehr Sachlichkeit sorgen. Ein weiterer Vorteil: Bei Online- Veranstaltungen können zahlreiche externe ExpertInnen remote eingebunden werden. Diese sind auf “Standby” und können bei Bedarf auch detaillierte und sehr spezielle fachliche Fragen sofort und unter Nutzung aktueller Planungsunterlagen beantworten. 3D-Modelle, Videoaufnahmen und weitere Materialien, für die auf Präsenzterminen oft die Zeit oder die Möglichkeiten fehlen, sind ebenfalls geplant oder bedarfsbezogen einsetzbar. Von diesen Möglichkeiten profitieren die Informationsvermittlung und Transparenz.

Umfassende Dokumentation, langanhaltendes Gedächtnis

Eine live gestreamte Veranstaltung kann einfach aufgezeichnet und im Nachgang veröffentlicht werden. Damit ist für alle – für Projektverantwortliche, Kommunikatoren, Teilnehmende und weitere Interessierte – der Zugang zu Informationen, Diskussionsverläufen, in Veranstaltungen beantworteten Fragen oder getroffenen Zusagen, jederzeit problemlos und direkt möglich. Das “Gedächtnis” der Beteiligung, das in ausschließlich in Präsenz durchgeführten Beteiligungsverfahren oftmals Lücken aufweist, wird somit vervollständigt und dauerhaft bewahrt.

Auf die Dosis kommt es an, auch bei digitalen Veranstaltungen

Natürlich hat die digitale Beteiligung auch Nachteile. Das persönliche Gespräch und der Kontakt mit den Menschen vor Ort gehen im digitalen Raum weitgehend verloren. Darüber hinaus sind digitale Veranstaltungen für die Beteiligten häufig recht anstrengend. Die Verantwortlichen “vor der Kamera” müssen sich stark konzentrieren und reden quasi in einen leeren Raum hinein – auch dann, wenn Videobilder der Teilnehmenden sichtbar sind. Direkte Reaktionen der Teilnehmenden, die sich in Gestik oder Mimik äußern, sind für die RednerInnen kaum erkennbar. Auch für die Teilnehmenden vor den Bildschirmen ist der starre Blick auf Monitor, Tablet oder Smartphone auf die Dauer belastend, worunter die Konzentrationsspanne leidet. Bei der Konzeption und Vorbereitung muss auf beides angemessen geachtet werden. Das betrifft vor allem die Länge digitaler Veranstaltungen. Pausen oder der Einsatz interaktiver Tools können Konferenzen und Workshops auflockern. Im Zweifelsfall gilt jedoch: Digitale Veranstaltungen besser kürzer und dafür häufiger einplanen, als auf lange und anstrengende Einmal-Termine zu setzen.

ProzesskritikerInnen sehen in digitalen Veranstaltungen häufig einen Anlass für Dialogkritik. Durch flankierende Kommunikation und zusätzliche Gesprächsangebote kann diese oft vermindert, teilweise sogar ausgeräumt werden.

Digitale Veranstaltungen haben ihren Preis

Keine Raummiete, kein Catering, keine Anfahrt: Eigentlich müssten digitale Veranstaltungen doch deutlich billiger sein. Das sind sie aber nicht, oder zumindest nicht zwangsläufig. Die Vorbereitung einer guten digitalen Veranstaltung nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Planung des Ablaufs, die Aufbereitung der Materialien, die technische Konzeption und Konfiguration, die Einbeziehung von Moderations-Know-how sowie die Umsetzung, die auch das Anmieten von Studioräumen, Mobiliar sowie von zusätzlicher Ton- und Videotechnik und die Einbeziehung versierter technischer MitarbeiterInnen beinhalten kann, verursachen natürlich Aufwand. Die Kosten eines digitalen Termins können im Einzelfall durchaus höher liegen, als dies bei einer „konventionellen“ Vor-Ort-Veranstaltung der Fall ist. Doch angesichts der Vorteile einer professionell geplanten und umgesetzten Veranstaltung ist der zusätzliche finanzielle und personelle Aufwand gut investiert.

Durch die Nutzung digitaler Formate zeigen VorhabenträgerInnen, dass sie den Dialog kontinuierlich führen, dass sie die Partizipation ernst meinen – in der Krise und danach – und dass sie krisenbedingte Veränderungen auch als Chance nutzen, um mehr Einbindung in den Projekten sicherzustellen.

Digital total normal: Die angepasste Kommunikation wird bleiben

Jetzt, im Sommer 2022, sind die Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Ob dauerhaft oder nur vorübergehend bis zur nächsten “Welle” wird sich zeigen. Die angepasste Kommunikation ist jedoch nicht mehr aus unseren Alltagswelten wegzudenken. Mittlerweile planen und setzen auch wir gemeinsam mit unseren Kunden wieder Vor-Ort-Veranstaltungen um. Inzidenz-Monitoring, Hygiene- und Schutzkonzepte sowie ein “Plan D” für eine digitale Alternative gehören dabei mittlerweile ganz selbstverständlich zu unserem Portfolio. Die Entscheidung, ob eine Veranstaltung digital, in Präsenz oder sogar hybrid umgesetzt wird, treffen wir mit unseren KundInnen gemeinsam und nach Abwägung von Projektstand, Dialogerwartung, Lage vor Ort und erwarteten Ergebnissen. Denn in der digitalen Welt ebenso wie in der Welt des persönlichen Gesprächs gilt: Erfolgreiche Beteiligung und Kommunikation gibt es nicht von der Stange, sondern auf Basis erprobter Methoden und professionellen Vorgehens.

Ob die Pandemie irgendwann wirklich ganz vorbei sein wird, wissen wir nicht. Aber wir sind uns sicher, dass etablierte und neue digitale Formate der Kommunikation dauerhaft zentrale Instrumente der Beteiligung bleiben werden.