Intellectual Property, Intellectual Resources – und damit auch das Urheberrecht – sind in immer stärker vernetzten, wissens- und technologiebasierten Gesellschaften zentrale Wertschöpfungsfaktoren für Unternehmen und ganze Wirtschaftsstandorte. Patente, Design und Kreativität werden immer wichtigere Merkmale im globalen Wettbewerb und sind daher wesentliche Grundlage für den Erfolg einer zunehmend wissensbasierten Industriegesellschaft. Deshalb ist es aus Sicht des SPD-Wirtschaftsforums dringend geboten, die Debatte um das Urheberrecht an diesen ökonomischen Erfordernissen auszurichten und nicht nur vor dem Hintergrund von Nutzungsfreiheiten zu führen.

Urheberrechte als Wirtschaftsfaktor

In den letzten 20 Jahren gab es viele Entwicklungen, die zur Entwertung von Ideen und geistigem Eigentum geführt haben. Besonders drastisch hat sich dies immer wieder im Wettbewerb mit der Wirtschaft Chinas gezeigt. Die Liste der Unternehmen, die schlechte Erfahrung mit „Ideenklau“ gemacht haben, ist lang. Das Schicksal von Kuka steht regelrecht als Symbol dieser Entwicklung. Diese Entwicklung müssen wir durchbrechen.

Mit der steigenden Bedeutung von Wissen in dieser Gesellschaft, nimmt auch die Bedeutung von geistigem Eigentum weiter zu. Daher muss es ein integraler Bestandteil einer zukunftsgerichteten Wirtschaftspolitik in Deutschland sein, vehement allen Versuchen einer Entwertung oder Relativierung von Intellectual Property entgegenzutreten, denn der Schutz und die strategische Nutzung von Geistigem Eigentum wirken sich positiv auf Investitions- und Wachstumsdynamiken aus. Sie sind Faktoren für Innovationsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit. In Anbetracht zunehmender globaler wirtschaftlicher Verflechtungen und wachsender Herausforderungen für die europäische wie deutsche Wettbewerbsfähigkeit, sind auch immaterielle Vermögenswerte, wie Urheberrechte, wichtige bilanzierbare Größen für Unternehmen.

Leider zeigt die Kritik, die dem derzeit im Bundestag beratenen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberechtsrichtlinie von vielen Seiten entgegenschlägt, dass diese Fragestellungen im Spannungsverhältnis der beteiligten StakeholderInnen (UrheberInnen, RechteinhaberInnen, RechteverwerterInnen, Plattformen, NutzerInnen) offensichtlich zu wenig Berücksichtigung finden. Ein nachhaltiger Ausgleich zwischen den dabei zu Tage tretenden unterschiedlichen Interessen erfordert mehr Verständnis für die ökonomische Seite dieser Debatte. Dies ist in der EU-Richtlinie noch in Ansätzen gelungen, in der deutschen Debatte treten nun die Nutzungsrechte ganz in den Vordergrund.

Warum der Interessensausgleich bisher nicht gelingt

Das Wirtschaftsforum der SPD legt daher ein Diskussionspapier „Wirtschaftsfaktor – Urheberrecht. Intellectual Property als Wertschöpfungsfaktor sichern“ vor, das auch über unterschiedliche Inhalte und Wertschöpfungsstufen hinweg Gemeinsamkeiten identifiziert, auslotet und beschreibt. Daran haben diverse Unternehmen, sowohl aus der Plattformökonomie als auch RechteinhaberInnen aus den Bereichen Musik, Buch, Verlag, Film, usw., mitgewirkt.

Wir kritisieren, dass mit dem vorliegenden Entwurf funktionierende und etablierte Lizenzmodelle durch die Kollektivierung von Rechten konterkariert und individuelle Lizenzrechte dadurch entwertet werden. Aus unserer Sicht werden bestehende und gut funktionierende Systeme verkompliziert, anstelle sie – auch im Hinblick auf die Schaffung einer einheitlichen europäischen Grundlage im Sinne der EU-Urheberrechtsrichtlinie – transparenter und einheitlicher zu gestalten. Wir sehen mit Sorge, dass der vorliegende Gesetzesentwurf den Grundsatz der bewährten Praxis des Lizenzvorrangs aufgibt.

Auch der Direktvergütungsanspruch der UrheberInnen ist in der Umsetzung mit Schwierigkeiten verbunden. Er schafft in Bezug auf die Vertragsfreiheit Intransparenz beziehungsweise eine Doppelstruktur und trägt damit der Diversität bestehender Geschäftsmodelle in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht Rechnung.

Wir plädieren ferner dafür, sich noch einmal mit den Beschwerdemechanismen des Entwurfs, konkret der Red-Button-Regelung, auseinanderzusetzen. Praktikable Vorgehensweisen gegen beispielsweise digitale Piraterie drohen ausgehebelt zu werden, was zu neuen Problemen führen kann.

Der deutsche Sonderweg – kann das gut gehen?

Natürlich sehen wir auch die Bemühungen und das Ringen um einen Interessensausgleich. Aber der angestrebten Harmonisierung des europäischen Rechtsrahmens läuft der deutsche Gesetzesentwurf zuwider. So ist beispielsweise ungeklärt, wie das Territorialitätsprinzip im Bereich der Piraterie angewendet werden soll. Da dieses Gesetz nur in Deutschland gelten wird, muss es mit anderen Regelungen in der EU harmonisiert werden. Es ist schwer vorstellbar, dass je nach Domainänderung innerhalb des (angestrebten) digitalen Binnenmarktes der EU unterschiedliche Regelungen und Rechte bezüglich Upload, Takedown-Mechanismen und Wahrnehmung der Urheberrechte gelten. Hier bedarf es innerhalb der EU einer einheitlichen Regelung.

Für uns als Verband an der Seite der Sozialdemokratie ist klar: Kein Werk ohne UrheberIn, keine kommerzielle Nutzung ohne RechteinhaberIn. Eine faire Vergütung und Beteiligung von UrheberInnen und RechteinhaberInnen, deren Werke die wirtschaftliche Grundlage für darauf aufbauende Geschäftsmodelle sind, sind essenziell. Eine zukunftsgerichtete Gesetzgebung muss deshalb am Schutz und der Förderung der strategischen Nutzung von Intellectual Property und Intellectual Resources ausgerichtet sein. Die Politik sollte dieses Ziel ganz oben auf die Agenda setzen.

Heiko Kretschmer ist Schatzmeister des Wirtschaftsforums der SPD e. V. und leitet dort u.a. das Fachforum Kultur- und Kreativwirtschaft. Überdies ist er Geschäftsführer und Gründer der Kommunikationsberatung Johanssen + Kretschmer.