Bis zum Ende dieses Jahres sind Bund, Länder und Kommunen durch das 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz (OZG) dazu verpflichtet, Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Das Vorhaben ist umfangreich: über 6.000 Verwaltungsleistungen der drei föderalen Ebenen wurden in 575 OZG-Leistungen kategorisiert und sollen in einer gemeinsamen IT-Infrastruktur zusammengeführt werden.

Ob der Zeitplan hält, hängt maßgeblich von der Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Landesregierungen ab. Seit einiger Zeit schon zweifeln Expertinnen und Experten, wie beispielsweise Markus Richter, Chief Information Officer des Bundes, die fristgerechte Umsetzbarkeit an. Auch auf Landesebene bestehen Zweifel: Der rheinland-pfälzische Digitalminister Alexander Schweitzer (SPD) hat sich deshalb bereits im Oktober letzten Jahres für eine Priorisierung der Dienste ausgesprochen, die für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen besonders relevant sind.

Gründe für die Verzögerungen sind vielfältig. Auf Seiten der Kommunen besteht große finanzielle und personelle Ressourcenknappheit, der Monitor Digitale Verwaltung identifiziert die technisch-organisatorischen Gesamtarchitekturen als Ursache erheblicher zusätzlicher Koordinierungs- und Orientierungsaufwände. Die große Aufgabe ist also, Verfahren und Abläufe rechtssicher zu vereinheitlichen und sich auf allgemeine Standards im Umgang mit Daten und Prozessen zu einigen. Allerdings ist dies aufwändiger als erwartet und muss entsprechend mit mehr Zeit und Personal geplant werden.

Pandemie als Digital-Booster

Der Erfolg und die Geschwindigkeit der Verwaltungsdigitalisierung bleibt immer auch eine Frage politischer Priorisierung. „Viel mehr Tempo“ möchte Innenministerin Nancy Faeser für die Digitalisierung der Verwaltung und hat damit den gestiegenen Anspruch gleich zu Amtsantritt formuliert.

Defizite in diesem Bereich hat vor allem die Pandemie offenbart. Nichtsdestotrotz wurden dort wo Bedarf und gemeinsames Verständnis für die Notwendigkeit digitaler Lösungen zusammengekommen sind, wichtige Fortschritte erzielt.

Das dringende Bedürfnis nach einer verbesserten Datenbasis und Datenfähigkeit öffentlicher Verwaltung haben nicht zuletzt Bund und Länder in der letzten Ministerpräsidentenkonferenz unterstrichen. Bis Ende Februar soll die Gesundheitsministerkonferenz einen Bericht über die Umsetzung des Paktes für den öffentlichen Gesundheitsdienst sowie über die Einführung des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems (DEMIS) in den Krankenhäusern vorlegen.

Datenerhebung und -zugang haben damit einen neuen politischen Fokus und eine deutlich prominentere Rolle in Medien und im öffentlichen Diskurs erhalten.

Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung

Es hat sich in jedem Fall gezeigt, dass neben den Investitionen, die durch das zentrale Digitalbudget der Bundesregierung gesteuert werden, große personelle Veränderungen und weitreichende Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich sind.

Die Veränderung der Arbeitsweise in der Verwaltung wird mit großer Wahrscheinlichkeit an vielen Stellen Einfluss auf bestehende Prozesse nehmen und damit auch neue politische Entscheidungen erforderlich machen. Die große Herausforderung wird sein, diese Entscheidungen nicht zu verschleppen. Stattdessen kommt es gerade bei der Umsetzung darauf an, vermehrt den Dialog zu suchen und gemeinsame Lösungen zu finden mit allen relevanten Anspruchsträgern.

In diesem Sinne ist es wegweisend, dass die Ampel neben der Bündelung von Digitalkompetenzen auch ministeriumsübergreifend die Arbeit in Projektteams intensivieren will.

Kulturwandel einleiten

Digitalisierung darf gleichzeitig nicht als einmaliger Prozess begriffen werden, der mit der Umsetzung des OZG abgeschlossen ist. Vielmehr empfiehlt sich das Ziel, fortlaufende, möglichst offene digitale Strukturen zu schaffen. Ihre Aufgabe: Die technischen Möglichkeiten kontinuierlich mit den politischen und gesellschaftlichen Ansprüchen vergleichen und das eigene Dienstleistungsspektrum entsprechend anpassen und erweitern.

Wenn dieses neue Selbstverständnis ganzheitlicher E-Governance gelingt, besteht die Chance auf mehr als bloße Effizienzgewinne. Eine digitalisierte Verwaltung bedeutet auch eine leistungsfähigere Verwaltung. Dies zeigt das Potential auf, die Rolle der Verwaltung nachhaltig zu ändern.

Das scheint dringend erforderlich, denn die gestiegene Erwartungshaltung von Politik und Zivilgesellschaft setzen eine größere Leistungsfähigkeit zeitgemäßer Verwaltung voraus. Etwa wenn es um die Planungsbeschleunigung von Bau-Projekten zur Erreichung der Klimaschutzziele als Prestige-Projekt der neuen Bundesregierung oder die schnellere und bürgerfreundlichere Bereitstellung neuer Leistungen im Bürgeramt vor Ort geht.

In der Konsequenz ist das nichts anderes als die Chance, neues Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates zu schaffen und den gesamtgesellschaftlichen Stellenwert einer effizienten Verwaltung in Deutschland herauszustellen.